Co-Living – ein Modell für mehrere Generationen?

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Im Vergleich zu traditionellen Hotels konnten Serviced-Living-Konzepte (insbesondere Co-Living und Serviced Apartments) eine deutlich höhere Auslastung (mit teils 20 bis 30 % höheren Belegungsraten) während der COVID-19-Pandemie verzeichnen. Dies kann primär durch die geringe Interaktion mit Personal (unter anderem kein oder nur limitierter Housekeeping Service bzw. gastronomische Angebote) sowie durch die Möglichkeit der Selbstversorgung in den Einheiten, welche mit kleinen Kochnischen oder Küchen ausgestattet sind, begründet werden. Ein wesentlicher Unterschied zu traditionellen Hotels ist zudem, dass Co-Living-Konzepte (oft mit einem Mindestaufenthalt von sechs Monaten) als fester Wohnsitz dienen können und daher zwar gewerblich betrieben werden, jedoch vielmehr einen wohnwirtschaftlichen Charakter vorweisen. Aber wie zukunftsorientiert sind diese Konzepte und wer sind die Zielgruppen?

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Flexibler Lebensstil der Millennials und Generation Z

Eine Vielzahl an Co-Living-Konzepten (unter anderem YOUNIQ, The Fizz, The Student Hotel) definiert sowohl Young Professionals (junge Berufstätige) als auch Studierende als primäre Zielgruppe. Digitale Nomaden und Young Professionals, die ortsunabhängig arbeiten können, verweilen in der Regel für einige Monate in einer bestimmten Stadt, bevor sie weiterziehen und von einem anderen Ort aus arbeiten. Zudem sind die Konzepte gut geeignet für Berufstätige, die für einige Monate, beispielsweise für eine Projektarbeit, bleiben oder neu in die Stadt gezogen sind und das Co-Living-Konzept als (temporären) Wohnsitz nutzen. Maklergebühren, Kosten für die Einrichtung sowie die oft große Herausforderung, schnell bezahlbaren Wohnraum zu finden, fallen in diesem Fall weg. Bewohnerinnen und Bewohner können außerdem Dienstleistungen und Einrichtungen wie Fitnessstudios, Co-Working-Bereiche oder Dachterrassen nutzen. Regelmäßig stattfindende Veranstaltungen in den Häusern (unter anderem Yogastunden, Diskussionsrunden, Feste, Kochkurse etc.) bieten ebenfalls die Möglichkeit, schnell neue Leute kennenzulernen.

Arbeitswelt im Wandel

Veränderungen in der Arbeitswelt müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls beachtet werden. Laut einer Umfrage von IDC planen derzeit fast 80 Prozent aller Unternehmen in Deutschland auch nach der Pandemie Home-Office bzw. Remote-Office-Optionen anzubieten. Dieser Trend zeigt, dass flexible Arbeitsorte in Zukunft nicht mehr wegzudenken sind und es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern somit ermöglichen, ihren Aufenthaltsort (zumindest temporär) zu wechseln. Für diese sogenannten Workcation- oder Bleisure-Aufenthalte (Verbindung von Geschäfts- und Freizeitaufenthalten) stellen Co-Living-Konzepte aufgrund ihrer Ausstattung das passende Beherbergungsprodukt dar.

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Wenn man einen Blick auf den internationalen Markt wirft, gilt Deutschland nach den USA, Großbritannien und Australien als viertbeliebtestes Land für ausländische Studierende. Vor Ausbruch der Pandemie, verzeichnete Deutschland im Semester 2019/20 mit knapp 320.000 ausländischen Studierenden einen neuen Höchstwert1). Die Nachfrage nach modernen Studierendenunterkünften bzw. Co-Living-Konzepten wird sich erwartungsgemäß nach der Pandemie rasch erholen.

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Steigende Anzahl der Singlehaushalte
bei Seniorinnen und Senioren

Deutschlandweit ist derzeit eine zunehmende Anzahl an Singlehaushalten zu beobachten. Der Anteil der Singlehaushalte aller Altersgruppen betrug im Jahr 2019 ca. 42,3 Prozent und wird laut derzeitiger Prognose bis zum Jahr 2040 auf ca. 45,3 Prozent steigen2). Bei den über 65-jährigen in Deutschland lebten im Jahr 2020 bereits etwa 38,7 Prozent allein3). Zudem werden bis zum Jahr 2050 Menschen, die 65 Jahre oder älter sind, ca.  31,8 Prozent der Bevölkerung in Deutschland repräsentieren3). Eine rückläufige Geburtenrate sowie eine erhöhte Lebenserwartung durch den andauernden medizinischen Fortschritt sind maßgebliche Gründe für diesen Trend. Moderne Co-Living-Konzepte für Seniorinnen und Senioren, die nicht allein leben möchten, werden daher voraussichtlich auf eine große Nachfrage stoßen, um der drohenden Einsamkeit im Alter rechtzeitig vorzubeugen.

Ähnlich wie bei Co-Living-Konzepten, die sich primär an jüngere Generationen richten, ist auch hier eine attraktive Gestaltung öffentlicher Bereiche wie z.B. Yoga- und Entspannungsräume, Bibliotheken oder auch kleine Co-Working-Bereiche für noch Erwerbstätige von besonderer Bedeutung. Man sollte hierbei nicht den Fehler machen, modernes Co-Living für Seniorinnen und Senioren mit klassischen Altersheimen zu verwechseln. Vielmehr sollten diese modernen Konzepte als alternatives Wohnen für Menschen, die nicht gerne allein in einer Wohnung oder in einem Haus leben möchten, verstanden werden. Die beiden neuen Marken The Embassies sowie lively (Eröffnung des ersten Hauses in Gronau im Jahr 2023) gelten bereits jetzt als Vorreiter moderner Co-Living-Konzepte für Seniorinnen und Senioren. Mischkonzepte (beispielsweise Alleinerziehende mit Seniorinnen und Senioren, Studierende mit Seniorinnen und Senioren), die teilweise bereits bestehen, könnten zukünftig ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Urbanisierung und leistbarer Wohnraum

Derzeit leben ca. 75 Prozent der europäischen Bevölkerung in Großstädten4). Laut aktueller Prognosen wird dieser Anteil bis zum Jahr 2050 auf ca. 84 Prozent steigen5). In Deutschland verzeichnet die Urbanisierungsrate ebenfalls einen stetigen Anstieg (aktuell ca. 77,7 %6)). Auch wenn sich ein kleiner Trend Richtung ländlichem Wohnen – insbesondere aufgrund der geringeren Mieten und der neugewonnenen Flexibilität durch Remote-Work und Home-Office – abzeichnet, wird die andauernde Urbanisierung erwartungsgemäß weiterhin einen starken Einfluss auf den Immobilienmarkt und leistbaren Wohnraum in Großstädten haben. Demnach fehlen zurzeit allein in Deutschland ca. 630.000 Wohnungen7). Co-Living-Konzepte allein werden nicht in der Lage sein, diese Herausforderung zu lösen. Trotzdem können sie zumindest temporär den Wohnungsmarkt entlasten und stellen eine gute Alternative zum traditionellen Wohnen dar.

Im Jahr 2022 werden in Deutschland unter anderem die Co-Living-Betreiber The Base (Berlin) und POHA House (Münster und Aachen) neue Häuser eröffnen. Zudem plant HVNS, das bereits im Jahr 2021 das erste Haus in Hamburg eröffnete, im Jahr 2024 ein weiteres Haus in Berlin zu eröffnen.

Tobias Siegel (Mitglied der Apartment Community) ist bei der PKF hospitality group für den Bereich Serviced-Living verantwortlich. Nachdem er im Hotel Bayerischer Hof (München) eine Berufsausbildung abgeschlossen hatte, absolvierte er ein Bachelorstudium in International Hotelmanagement an der Hotelschool The Hague in den Niederlanden. Bevor er sich im Jahr 2019 PKF hospitality in Wien anschloss, arbeitete er als Sales Executive-Business Travel im The Ritz-Carlton, DIFC in Dubai. Zudem hat Siegel innerhalb der letzten zehn Jahre weitere Erfahrungen in diversen Luxushotels in Italien, Deutschland, den Niederlanden und Hong Kong gesammelt.

Kontakt: tobias.siegel@pkfhospitality.com

Quellen:
1) Deutsches Studentenwerk
2) Bundeszentrale der politischen Bildung
3) Deutsches Statistisches Bundesamt
4) World Bank
5) European Commission
6) IBIS World
7) Bündnis aus Mieterbund, Verbänden der Bau- und Wohnungsbranche sowie der IG Bau

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